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Interdisziplinäres Mutismus Forum - Unser Selbstverständnis

Eine informelle Kooperationsplattform für Fachleute

Das IMF versteht sich als eine informelle Kooperationsplattform für Fachleute diverser Professionen aus folgenden institutionellen bzw. interessensgemeinschaftlichen Kontexten:

  • Sprachheilzentrum der Glantalklinik Meisenheim
  • Sprachheilzentrum Werscherberg, Bissendorf/Osnabrück
  • Sprachtherapeutisches Ambulatorium der TU Dortmund/ Verein zur Förderung des Sprachtherapeutischen Ambulatoriums der Universität Dortmund e.V.
  • StillLeben e. V., Hannover
  • Uniklinik Mainz

Wir möchten die Versorgungssituation selektiv mutistischer Kinder und ihrer Familien verbessern

Ein offener kollegialer Austausch und gemeinsame Aktivitäten zur Verbesserung der Versorgungssituation selektiv mutistischer Kinder und ihrer Familien sind wichtigste Anliegen des IMF. Die Kooperation umfasst die Bereiche Praxis, Forschung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Aus- und Weiterbildung. Kooperationsanliegen des IMF sind im Einzelnen:

  • Begleitung Betroffener und ihrer Helfersysteme über Kontakt- und Beratungsangebote
  • Weiterentwicklung und Formalisierung von Abläufen, Konzepten und Materialien für Diagnostik und Therapie (aus der Praxis für die Praxis)
  • Veröffentlichung von diagnostischen Instrumenten und therapeutischem Material
  • Entwicklung und Forcierung anwendungsbezogener Forschungsprojekte im Bereich Mutismus
  • Informations- und Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Tagungen)
  • Qualifizierung von Fachpersonen (Fallbesprechungen, Intervision, Supervision, Fort- und Weiterbildungen)

Organisationsform des IMF sind halbjährlich stattfindende Treffen der Kooperationspartner, im Rahmen derer zielführend konkrete Absprachen und Arbeitsaufträge formuliert werden.

Jede schweigende Person möchte grundsätzlich sprechen und mit anderen erfolgreich kommunizieren

Die Kooperationspartner verbindet eine gemeinsame Grundhaltung im Hinblick auf das Phänomen Mutismus und die Arbeit mit den Betroffenen. Das Schweigen des selektiv mutistischen Kindes bzw. Jugendlichen wird als ein sinnvoller – wenn auch schmerzlicher – Lösungsversuch verstanden, Konflikten oder Belastungen zu begegnen. Für diese stehen ihm derzeit keine anderen funktionelleren Lösungsalternativen zur Verfügung. Die Konflikte bzw. Belastungen sind entweder in eine aktuelle entwicklungsbedingte, lebensgeschichtliche und/oder systemische Dynamik eingebunden, oder sie wurden als ritualisierte Bewältigungsmuster früherer Situationen etabliert. Grundsätzlich wird aber davon ausgegangen, dass auch selektiv mutistische Kinder oder Jugendliche - wie alle Menschen – mit einer sozialen Motivation als Motor für die Kommunikation mit der Umwelt ausgestattet sind. Mit anderen Worten: Jede schweigende Person möchte grundsätzlich sprechen und mit anderen erfolgreich kommunizieren. Diese positive Unterstellung sowie auch die verstehende Haltung gegenüber dem Schweigen bilden die Basis für alle Aktivitäten des IMF, insbesondere für professionelle beratende Angebote und/oder therapeutische Hilfen.

Mutismus erfordert disziplinenübergreifendes therapeutisches Vorgehen

Grundidee der therapeutischen und/oder beratenden Arbeit ist es, das Kind bzw. den Jugendlichen so zu befähigen sowie sein Lebenssystem so zu stützen, dass das Schweigen als Lösungsmöglichkeit sukzessive nicht mehr gebraucht wird. Es ist wesentlich, die das Schweigen jeweils aktuell noch aufrechterhaltenden Faktoren aufzudecken, ihren Einfluss zu mindern oder nach Möglichkeit ganz auszuschalten. Gleichzeitig werden neue Identitätsaspekte einer zukünftig sprechenden Person aufgebaut und etabliert. Mutismus zeigt sich immer als komplexes Phänomen, das ein disziplinenübergreifendes therapeutisches Vorgehen erforderlich macht. Neben dem Sprechen sind häufig weitere Bereiche betroffen wie beispielweise Selbstkonzept und Identität, Kontaktgeschehen, mimisch-gestisches und stimmliches Kommunikationsverhalten, die Fähigkeiten zu Entscheidungsleistungen und zum Perspektivenwechsel. Daher werden therapeutische Zielsetzungen, abhängig vom jeweiligen Kind oder Jugendlichen, seinen Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und seiner Lebenssituation, individuell abgestimmt. Dabei werden auch Bereiche einbezogen, die über die Kernsymptomatik des Sprechens und Schweigens im engeren Sinne hinausreichen.

Die Gestaltung der therapeutischen Beziehung ist von zentraler Bedeutung. Die Therapie ist grundsätzlich interaktiv angelegt, d. h. Ziele und Wege werden in einem gemeinsamen Prozess miteinander abgestimmt und ausgehandelt. Kinder bzw. Jugendliche erhalten einen Raum, in dem sie sich in nicht-sprachlichen und sprachlichen Handlungen als wirksam im kommunikativen Prozess mit einem Gegenüber erleben können. Der Alternativlosigkeit im Kommunikationsverhalten, die sich im Schweigen äußert, werden Erfahrungen von Selbstwirksamkeit gegenübergestellt. Das Kind bzw. der Jugendliche erlebt sich dadurch in der Kommunikation mit dem Therapeuten zunehmend als aktiv mitgestaltender Partner.

Die Zusammenarbeit mit Familien, Kindergärten und Schulen als Basis für eine erfolgreiche Therapie

Die Therapie mit selektiv mutistischen Kinder und Jugendlichen kann nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn die im therapeutischen Setting aufgebauten Kompetenzen sich schließlich auch in möglichst allen ihren zentralen Lebenssystemen zeigen. Eine vernetzende und intensive Zusammenarbeit mit Familien, Kindergärten, Schulen etc. bereitet den Boden für neue oder alternative Schritte und hilft, diese Verhaltensweisen zu festigen.